Artikel-Bild

Freibetrag für Erbschaftssteuer: Urenkel sind keine Enkel

 
 

Das Erbschaftssteuerrecht gewährt Erben relativ hohe Freibeträge. Liegt der Wert unterhalb des jeweiligen Freibetrages, fällt keine Erbschaftssteuer an. Nur der über den Freibeträgen liegende Vermögenswert muss versteuert werden.

Das Erbschaftssteuerrecht kennt fünf unterschiedliche Freibeträge. Demgemäß kommt es darauf an, in welche Kategorie ein Erbe einzuordnen ist. In einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes (Beschluss vom 22.7.2020, Az. II B 39/20) ging es um die Frage, ob Urenkelkinder im Erbschaftssteuerrecht Enkelkindern gleichzustellen sind oder nicht. Der Unterschied macht immerhin einen Freibetrag von 100.000 EUR aus.

Welche Kategorien von „Kindern“ gibt es im Erbschaftssteuerrecht?

Kinder sind im Erbschaftssteuerrecht nicht gleich Kinder. Das Gesetz unterscheidet nämlich zwischen Kindern und Abkömmlingen. Kind ist der direkte Nachkomme des Erblassers. Zu den Abkömmlingen gehören neben dem Kind auch das Enkelkind sowie das Urenkelkind.

Das Gesetz differenziert demgemäß:

  • Sind Sie das leibliche Kind des Erblassers, gewährt Ihnen das Gesetz einen Freibetrag von 400.000 EUR.
  • Sind Sie das Enkelkind des Erblassers und sind Ihr Vater und Ihre Mutter bereits verstorben, beträgt der Freibetrag 400.000 EUR.
  • Sind Sie das Enkelkind des Erblassers und lebt Ihr Vater oder Ihre Mutter noch, beträgt Ihr Freibetrag nur noch 200.000 EUR.
  • Sind Sie hingegen der Urenkel, kommen Sie nur noch in den Genuss von 100.000 EUR Freibetrag.

Interessant zu wissen
Das eheliche Kinder nichtehelich geborenen Kindern erbrechtlich gleichstehen, ist bekannt. Aber auch Stiefkinder sind leiblichen und adoptierten Kindern erbschaftssteuerrechtlich gleichgestellt. Auch Stiefkinder erhalten einen Steuerfreibetrag von 400.000 EUR (§ 15 ErbStG). Der Steuerfreibetrag steht dem Stiefkind auch dann noch zu, wenn sich sein leiblicher Elternteil und der Stiefelternteil wieder scheiden lassen und die Ehe erlischt (BFH v. 19.4.1989, II R 27/86, BStBl II 1989, 627). Grund ist, dass die Beziehung des Stiefkindes zu seinem Stiefelternteil unabhängig davon fortbestehe, ob dessen Ehe noch besteht.

Warum haben Urenkel nur 100.000 EUR Freibetrag?

Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass Urenkel den direkten Kindern und Enkelkindern des Erblassers erbschaftssteuerrechtlich nicht gleichzustellen sind. Gerade, weil das Gesetz zwischen Kindern und Abkömmlingen differenziert, sind Kinder nur die direkten leiblichen Kinder des Erblassers und nicht die sonstigen Abkömmlinge. Die Kinder der Kinder sind lediglich die Enkelkinder. Urenkelkinder sind somit keine Enkelkinder im Sinne des Gesetzes.

Direkte Kinder erhalten also einen Freibetrag von 400.000 EUR, gleichfalls Kinder bereits verstorbener Kinder, sprich die Enkelkinder des Erblassers. Leben deren Eltern noch, reduziert sich der Freibetrag um die Hälfte auf 200.000 EUR. Die übrigen Personen genießen nur noch einen Freibetrag von 100.000 EUR. Da Urenkel im Gesetz nicht erwähnt werden und somit den Kindern und Enkelkindern nicht gleichgestellt sind, gehören sie zu den entfernteren Abkömmlingen und haben nur noch einen Freibetrag von 100.000 EUR.

Im Fall des Bundesfinanzhofs hat eine Urgroßmutter ihren beiden Urenkeln eine Immobilie geschenkt. Die Tochter der Urgroßmutter (Großmutter der Urenkel) erhielt ein Nießbrauchrecht an der Immobilie. Die Urenkel reklamierten als „Kinder der Kinder“ die Freibeträge von 200.000 EUR, während das Finanzamt lediglich Freibeträge von 100.000 EUR anerkennen wollte. Der Bundesfinanzhof orientierte seine Entscheidung am Wortlaut des Gesetzes. Dabei wurde jedem der Urenkel ein eigenständiger Freibetrag von jeweils 100.000 EUR zuerkannt. Der Freibetrag orientiert sich also insoweit an der Person des Erben, nicht am Wert des Nachlasses.

Welche Regelungen trifft das Erbschaftssteuerrecht im Erbfall?

  • Das Erbschaftssteuergesetz teilt die Begünstigten einer Erbschaft oder Schenkung in die Steuerklassen I, II und III ein. Die Steuerklasse I ist die günstigste und III die schlechteste Steuerklasse. Diese Steuerklassen haben nichts mit Ihren Lohnsteuerklassen zu tun. Das Erbschaftssteuergesetz ist übrigens mit dem Schenkungssteuergesetz identisch und heißt insoweit richtigerweise Schenkungs- und Erbschaftssteuergesetz.
  • Die Steuersätze des Schenkungs- und Erbschaftssteuergesetzes bewegen sich je nach Steuerklasse zwischen 7 - 50 %. So zahlen Sie bei einem Wert des Erbes bis 75.000 EUR in der Steuerklasse I = 7 %, in Steuerklasse II 15 % und in der Steuerklasse III = 30 % Erbschaftssteuern. Die nächste Wertgrenze liegt bei 300.000 EUR. In Steuerklasse I fallen 11 %, in Steuerklasse II = 20 % und in Steuerklasse III = 30 % Erbschaftssteuern an.
  • Vermögenswerte des Nachlasses, die die Freibeträge, Versorgungsfreibeträge und Steuerbefreiungen übersteigen, unterliegen der Steuerpflicht.
  • Ehe- und eingetragene Lebenspartner erhalten beim Bezug von Renten und Pensionen Versorgungsfreibeträge bis 256.000 EUR und Kinder je nach Alter 10.300 EUR - 52.000 EUR.
  •  Personen der Steuerklasse I können Hausrat bis zum Wert von 41.000 EUR und andere bewegliche Gegenstände, z.B. Kunstgegenstände und Sammlungen, Pkw oder Schmuck bis zum Wert von 12.000 EUR steuerfrei erben. In den Steuerklassen II und III beträgt der Freibetrag für Hausrat 12.000 EUR.
  • Hinterlassen Sie eine Immobilie, fällt zulasten Ihres Ehepartners unabhängig vom Verkehrswert der Immobilie keine Erbschaftssteuer an, wenn der Partner das Familienheim 10 Jahre lang nach dem Erbfall selbst bewohnt.
  • Gleiches gilt für ein Kind oder Enkelkind, dessen Elternteil bereits verstorben ist, sofern die Wohnfläche 200 m² nicht übersteigt. Ist die Wohnfläche größer, greift für die darüberliegende Fläche nach Maßgabe des Verkehrswertes der Immobilie zunächst der persönliche Freibetrag für Kinder von 400.000 EUR und für Enkelkinder von 200.000 EUR.
  • Die Steuerbefreiung entfällt allerdings rückwirkend, wenn das Familienheim innerhalb der Zehnjahresfrist verkauft oder fremdvermietet wird, es sei denn, die Selbstnutzung muss aus objektiv nachvollziehbaren Gründen aufgegeben werden (z.B. bei Pflegebedürftigkeit Arbeitsplatzwechsel).

Interessant zu wissen
Als Erbe werden Sie übrigens von der Erbschaftssteuer vollständig befreit, wenn Sie den Nachlass oder Teile davon innerhalb von 24 Monaten nach dem Erbfall an eine gemeinnützige Organisation übertragen. Gemeinnützige Organisationen sind von der Erbschafts- und Schenkungsteuer vollständig befreit. Damit kommen Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen ungeschmälert und in voller Höhe einem guten Zweck zugute.

Alles in allem

Schenkungen, die mehrfache Inanspruchnahme von Freibeträgen und vor allem die wissenswerte Gestaltung von Testamenten erlauben, die Steuerlast der Erben im Erbfall deutlich zu senken. Als Erblasser sind gut beraten, sich bereits frühzeitig mit den gesetzlichen Möglichkeiten zu befassen.