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Kann man Verderben erben?

 
 

Verstirbt ein Mensch, stellt sich nach Überwindung der Trauerphase die Vorfreude auf die Erbschaft ein. Doch nicht jede Erbschaft ist wirklich Grund zur Freude. Nachlässe können auch überschuldet sein. Dann muss der Erbe überlegen, inwieweit er für Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers haftet, ob er das Erbe annimmt oder vielleicht besser ausschlägt. Die Freude, dass Sie der Erblasser in seinem Testament großzügig und wohlwollend als seinen Erben bedacht hat, dürfte dann nur von kurzer Dauer sein.

Was heißt es, Verderben zu erben?

Oft trügt der Schein und der Erblasser hat über seine Verhältnisse gelebt. Stellen Sie sich vor, Sie erben eine Villa mit zwölf Zimmern in bester Lage. Sie ziehen sofort als Erbe und neuer Eigentümer ein. Als Sie die Unterlagen des Erblassers durchforsten, stellen Sie zu Ihrem Erstaunen fest, dass der Erblasser die Immobilie bis unter die Dachkante mit Grundschulden belastet hat. Vielleicht hatte er in den letzten Monaten vor seinem Ableben noch nicht einmal die nötige Liquidität, um den Kapitaldienst an die Bank zu leisten. Bargeld ist keines vorhanden. Die allerschönste Immobilie in allerbester Lage nutzt Ihnen also absolut nichts, wenn die Verbindlichkeiten unter dem Strich den Wert der Immobilie übersteigen. Wenn Sie für die Immobilie einen Käufer finden, können Sie froh sein, wenn Sie mit dem Verkaufserlös die Verbindlichkeiten tilgen können und kein eigenes Geld dazu packen müssen.

Wie vermeiden Sie unliebsame Überraschungen?

Bevor Sie die Erbschaft annehmen, sollten Sie eine Bestandsaufnahme machen. Dazu genügt es nicht, das Bankkonto einzusehen oder sich an dem Anblick einer Immobilie zu erfreuen. Als Erbe sind Sie der Rechtsnachfolger des Erblassers. Sie übernehmen nicht nur dessen Rechte, sondern auch dessen Pflichten. Sie sind faktisch jetzt diejenige Person, die der Erblasser vorher war.

Sie müssen also berücksichtigen, dass Sie als Erbe für alles haften, was mit dem Erbfall zu tun hat:

  • Pflichtteilsansprüche
  • Zusatzpflichtteilsansprüche
  • Pflichtteilsergänzungsansprüche
  • Vermächtnisse im Testament
  • Auflagen im Testament
  • Ausbildungsanspruch von Stiefkindern
  • Unterhaltsanspruch der werdenden Mutter
  • Kosten der Beerdigung
  • Kosten der Grabstätte
  • Kosten der Trauerfeierlichkeiten
  • Kosten eventueller gerichtlicher Sicherungsmaßnahmen des Nachlasses
  • Kosten der Testamentseröffnung
  • Erbschaftsteuern
  • Kreditverbindlichkeiten
  • Wohngeldschulden bei Eigentümergemeinschaften
  • Zahlungen auf Sonderumlagen bei Eigentümergemeinschaften
  • Rückzahlungsforderungen für Arbeitslosengeld II

Sie sollten jetzt nicht vor Schreck umfallen. Nicht jede zuvor bezeichnete Position wird in Ihrem Fall relevant sein. Sie müssen in Ihrer Bestandsaufnahme aber berücksichtigen, ob die eine oder andere Position tatsächlich in Betracht kommt. An vieles denkt man einfach nicht und kann es sich auch kaum vorstellen.

Vorsicht, wenn Sie sich als Erbe benehmen

Erbe werden Sie von selbst. Zunächst sind Sie aber nur vorläufiger Erbe, denn Sie können und müssen entscheiden, ob Sie Erbe bleiben wollen oder nicht. Um sich zu entscheiden zu können und zu vermeiden, dass Sie „Verderben erben“, müssen Sie wissen, was Sie erben. Ihr Risiko besteht darin, dass Sie die Erbschaft leichtsinnig annehmen und Erbe werden. Dann können Sie Ihre Erbschaft nicht mehr ausschlagen und müssen sich wohl oder übel mit den Forderungen der Nachlassgläubiger auseinandersetzen. Bevor Sie handeln oder etwas erklären, müssen Sie sich genau überlegen, wie Ihre Handlungen und Ihre Erklärungen ausgelegt werden können. Im Zweifel stellen Sie immer klar, dass Sie damit keine Annahme der Erbschaft verbinden wollen. Beantragen Sie beispielsweise einen Erbschein, gilt dies als Annahme der Erbschaft.

Allenfalls dann, wenn Sie unaufschiebbare Fürsorgemaßnahmen tätigen, stellt Ihr Handeln keine Annahmeerklärung vor. Fahren Sie beispielsweise das im Halteverbot abgestellte Auto des Erblassers in die Garage, handeln Sie fürsorglich, erklären damit aber nicht, die Erbschaft annehmen zu wollen.

Wie beschränken Sie Ihre Haftung?

Reicht der Nachlass nicht aus, um die Verbindlichkeiten abzudecken, haben Sie sicherlich ein Interesse daran, die Verbindlichkeiten des Erblassers nicht aus Ihrem eigenen Vermögen bezahlen zu müssen. Die Gläubiger werden auf jeden Fall versuchen, Sie persönlich in Anspruch zu nehmen. Sie können Ihre Haftung aber auf den Nachlass beschränken, indem Sie eine der folgenden Optionen ziehen:

  • Ist der Nachlass offensichtlich völlig überschuldet, sollten Sie innerhalb einer Frist von sechs Wochen die Erbschaft ausschlagen. Dazu erklären Sie persönlich gegenüber dem Nachlassgericht, dass Sie die Erbschaft nicht annehmen werden. Sie können die Erklärung auch über einen Notar abgeben. Leben Sie im Ausland, verlängert sich die Frist auf bis zu sechs Monate. Die Frist beginnt in dem Augenblick, in dem der Erblasser verstorben ist und Sie Kenntnis vom Erbfall haben.
  • Sind Sie sich wegen der Liquidität des Nachlasses unsicher, beantragen Sie die Anordnung der Nachlassverwaltung. Dann nimmt der vom Gericht bestellte Nachlassverwalter den Nachlass in Besitz, verwaltet ihn und veräußert die Nachlassgegenstände. Sie haften dann nicht persönlich mit Ihrem privaten Vermögen.
  • Ist der Nachlass offensichtlich überschuldet oder zahlungsunfähig, beantragen Sie oder der Nachlassverwalter die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Der sodann vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter wickelt den Nachlass ab. Ihre persönliche und private Haftung ist ausgeschlossen.
  • Als Erben steht Ihnen auch die Möglichkeit der Dreimonatseinrede zu. Diese berechtigt Sie, die Zahlung der Nachlassverbindlichkeiten in den ersten drei Monaten nach Annahme der Erbschaft zu verweigern.
  • Können Sie den Nachlass nicht überblicken und vermuten Sie, dass es noch weitere unbekannte Gläubiger geben könnte, ist die Einleitung eines gerichtlichen Aufgebotsverfahrens der richtige Weg, um Klarheit über den Kreis der Gläubiger zu gewinnen. Das Gericht fordert dann durch öffentliche Bekanntmachung alle Gläubiger auf, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anzumelden. Nach Fristablauf erlässt das Gericht ein Ausschlussurteil, mit der Folge, dass nicht angemeldete Forderungen von Gläubigern erst dann befriedigt werden, wenn bis dahin der Nachlass noch nicht erschöpft ist. Ist der Nachlass erschöpft, haften Sie nicht mehr mit Ihrem eigenen Vermögen.
  • Sofern sich bei der Nachlassverwaltung ergibt, dass die Verfahrenskosten aus dem Nachlass nicht abgedeckt werden können, können Sie sich als Erbe auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Sind noch geringfügige Werte vorhanden, müssen Sie diese den Gläubigern zur Verfügung stellen.

Fazit

Möchten Sie sich mit einem möglicherweise überschuldeten Nachlass nicht ruinieren, müssen Sie vorsichtig handeln. Lassen Sie sich im Zweifel unbedingt juristisch beraten. Jede Handlung kann zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden.