Erbrecht: Irgendwann beschäftigt es jeden

Der Begriff „Erbrecht“ hat im Sprachgebrauch einen eher negativen Beigeschmack. Meist geht es um Trauer, Leid und Tod. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass der Nachlass eines verstorbenen Menschen vererbt wird. Für manchen Erben eröffnen sich mit einer Erbschaft ungeahnte persönliche oder wirtschaftliche Perspektiven. Vererben und Erben bedeutet aber auch Verantwortung. Die damit verbundenen Aspekte, die Sie als Vorteile und Nachteile verstehen können, sollten Sie als Erblasser und als Erbe kennen. Erbrecht ist insoweit Lebensgestaltung.

Das Wichtigste für Sie:

  • Derjenige, der im Todesfall sein Eigentum vererbt, heißt Erblasser.
  • Derjenige, dem Vermögen im Todesfall hinterlassen wird, wird als Erbe bezeichnet. Treten mehrere Erben den Nachlass des Erblassers an, handelt es sich um eine Erbengemeinschaft.
  • Erbrecht bedeutet Verantwortung. Der Erblasser überträgt mit seinem Nachlass Rechte und Pflichten auf den Erben. Er entscheidet über die Aufteilung seines Vermögens.
  • Auch den Erben trifft die Verantwortung, das Erbe besonnen anzutreten und sich über alle Gegebenheiten der Erbschaft zu informieren und sich gegebenenfalls mit anderen Erben zu arrangieren.
  • Wenn der Erblasser seinen Nachlass nicht durch ein Testament geregelt hat, greift die gesetzliche Erbfolge ein.

Sie sind Erblasser

Wenn Sie Ihr Vermögen vererben, übertragen Sie mit Ihren Vermögenswerten zwangsläufig auch Ihre sämtlichen Rechte und Pflichten auf den Erben. Sie sind Erblasser. Ihr Erbe wird Ihr Rechtsnachfolger. Sind mehrere Erben vorhanden, obliegt es Ihrer Verantwortung als Erblasser, Ihr Vermögen so zu übertragen, das es möglichst nicht zu Streitigkeiten kommt und im Idealfall der Familienfriede gewahrt bleibt oder Ihr Lebenswerk (Sie sind Unternehmer oder besitzen eine Kunstsammlung) nicht zerschlagen wird.

Sie sind Erbe

Sind Sie Erbe, kommt es darauf an, die Erbschaft in verantwortungsvoller Weise anzutreten, mit eventuellen Miterben zu Recht zu kommen und Enttäuschungen zu vermeiden. Auch wenn Sie nur Verbindlichkeiten erben oder zu erben glauben, müssen Sie wissen, was zu tun ist und wie Sie ein finanzielles Fiasko vermeiden.

Wichtige Zahlen und Fakten zum Thema „Vererben“ und „Erben“

Zum Thema „Vererben / Erben“ gibt es interessante Fakten und Zahlen. Sie sind mithin wichtige Gestaltungsfaktoren, wenn es um Vererben und Erben geht.

  • Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 868.356 Todesfälle verzeichnet. Davon waren 422.225 Männer und 446.131 Frauen. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 78,1 Jahren laut dem Statistischem Bundesamt. Die ständig steigende Lebenserwartung sollte Anlass sein, sich der eigenen Nachlassplanung zu widmen. Nur so stellen Sie als Erblasser sicher, dass Sie möglichst lange über Ihr Vermögen entscheiden können und Ihre Erben wissen, welche Perspektiven sie haben.
  • Jeder zweite Erbe erbt bis zu 50.000 EUR. Nur 1,5 % erben mehr als 500.000 EUR. Die meisten Deutschen erben (leider) nichts. Im Regelfall regelt sich der Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge. Testamentarische Verfügungen sind eher die Ausnahme.
  • Jedes Jahr werden in Deutschland laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus 2015 Vermögenswerte von ca. 250 Milliarden EUR an nachfolgende Generationen übertragen. Von 2015 bis 2024 sollen Nachlasswerte von 3,1 Billionen EUR den Eigentümer wechseln.
  • Die Erbschaftssteuern bringen dem Staat trotz der hohen Nachlasswerte nur circa fünf Milliarden EUR in die Staatskasse. Dies ist etwa 1/50 der Nachlasswerte. Im Vergleich dazu erbringt die Tabaksteuer das Dreifache an Steuern. Im Jahr 2014 weist die Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik steuerpflichtige Erwerbe von Todes wegen von 20,4 Milliarden EUR und Schenkungen von 13,4 Milliarden EUR aus. Die dafür festgesetzten Steuern betrugen 5,4 Milliarden EUR, davon waren 4,3 Milliarden EUR Erbschaft- und 1,1 Milliarden EUR Schenkungsteuer laut Statistischem Bundesamt.
  • Deutschland ist zumindest in Bezug auf die Erbschaftssteuern ein Niedrigsteuerland. Nur Lottogewinne sind ähnlich steuergünstig, wenn man Erbschaften und Lottogewinne als Einkommen betrachtet, für die der Glückliche keinerlei Leistung erbracht hat. Wer im Erbfall (hohe) Steuern zahlt, hat angesichts der legalen Gestaltungsmöglichkeiten des Erb- und Erbschaftssteuerrechts Fehler gemacht oder die Möglichkeiten nicht genutzt. Circa 50 % der Steuerfestsetzungen bei Erwerben von Todes wegen wurden durch Nachlasswerte bis 50.000 EUR begründet, die Steuer hierfür betrug jedoch nur 5 % des Gesamtsteueraufkommens.

    Angesichts der hohen Freibeträge und der im Ansatz relativ geringen Steuersätze erklärt sich, dass die Mehrzahl der Nachlässe keine Erbschaftssteuern nach sich ziehen und im Regelfall steuerfrei vererbt werden. Unberücksichtigt bleibt dabei, ob und inwieweit der Erblasser die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bereits steuermindernd oder steuervermeidend genutzt hat. Die Erbschaftsteuern entfallen somit vorwiegend auf große Vermögensübertragungen. Diese leisten damit den größten Beitrag zu den Erbschaft- und Schenkungsteuereinnahmen. „Oma ihr klein Häuschen“ bleibt daher so gut wie immer steuerfrei.

  • Laut einer Postbank-Studie aus dem Jahr 2012 steigen die Erbschaften mit Werten über 100.000 EUR und mehr um gut 50 Prozent. In zwei von drei Nachlässen werden künftig Häuser, Grundstücke oder Wohnungen enthalten sein.
  • Laut Postbank-Studie werden 3/4 aller Erbschaften für die Kinder der Erblasser geplant. Es folgen Ehegatten mit 37 %, gefolgt von den Enkelkindern, Geschwistern und Lebenspartnern. Häufigstes Motiv sei es, „Angehörige zu versorgen“ sowie bestimmten Personen „eine Freude machen zu wollen“.
  • Nach Schätzungen verschiedener Studien haben kaum ca. 20 % aller deutschen Bürger über 16 Jahre ein Testament errichtet. 31 % wollen sich mit dem Thema „vererben“ beschäftigt haben. Jedes zweite Testament sei ein Ehegattentestament (Berliner Testament). In einer Studie der Universität Hamburg gaben 28 % der Befragten an, „keine Zeit zu haben“, um ein Testament zu errichten. 17 % sahen dafür keine Notwendigkeit, 11 % war es unangenehm und 37 % hätten bislang keine Gelegenheit dazu gehabt. Immerhin 7 % gaben an, ein Testament errichtet zu haben. Wirklich verlässliche Aussagen sind allerdings nicht möglich.
  • 17 % aller Erbschaftsfälle werden unter den Erben streitig ausgetragen. 26 % der potentiellen Erben rechneten mit Erbschaftsstreitigkeiten.
  • In 2015 waren im Zentralen Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer in Berlin circa 12,5 Millionen erbfolgerelevante Urkunden registriert. Die Zahl der Neuregistrierungen betrug 675.000. Der Hauptteil entfiel mit 93 % auf notarielle Urkunden, 7 % beruhten auf der eigenhändigen Hinterlegung beim Nachlassgericht.

Expertentipp:

Sie sehen, Erbrecht ist ein Thema, das unseren Lebensalltag zumindest mitbestimmt. Es ist alles andere als langweilig. Früher oder später sollten Sie sich, sei es als Erblasser oder als potentieller Erbe, damit beschäftigen. Sie tragen auf jeder Seite Verantwortung. Und gerade weil das Erbrecht und insbesondere das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht so viele völlig legale Gestaltungsmöglichkeiten bieten, ist es geradezu fahrlässig, die Möglichkeiten des Gesetzes nicht zu berücksichtigen oder nicht oder nur unzureichend zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Autor:  Heinrich von Südhoff

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