Die gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge bestimmt sich nach den Regeln, nach denen der Nachlass zugeteilt wird. Keiner nimmt etwas mit, wenn er diese Welt verlässt. Damit der weltliche Besitz nicht herrenlos wird, bestimmt das Gesetz mit dem Erbrecht, wer den Nachlass einer verstorbenen Person übernimmt und Erbe wird - der gesetzliche Erbe.

Es versteht sich, dass die gesetzliche Erbfolge diejenigen Verwandten bevorteilt, die der verstorbenen Person (Erblasser) am nächsten standen. Das gesetzliche Erbrecht unterteilt die Verwandten daher in Ordnungen. Lebende nähere gesetzliche Erben schließen entferntere gesetzliche Erben von der Erbfolge aus.

Die gesetzliche Erbfolge kann eine spannende Angelegenheit sein. Auch wenn meist klar ist, wer erbt, ergeben sich im praktischen Leben oft genug Ansätze, dass sich berufene und vermeintliche gesetzliche Erben über alles streiten, was mit dem Nachlass und dem gesetzlichen Erbrecht zu tun hat.

Das Wichtigste zum Thema „Die gesetzliche Erbfolge“ für Sie:

  • Die gesetzliche Erbfolge setzt Standards im Erbfall. Sie gewährleistet, dass es stets einen gesetzlichen Erben gemäß Erbrecht gibt. Passt die gesetzliche Erbfolge nicht zu den Wünschen des Erblassers, kann er diese verändern, indem er eine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) verfasst. Unterlässt es der Erblasser, seinen „letzten Willen“ zu verfassen, regelt die gesetzliche Erbfolge, wer der gesetzliche Erbe wird.
  • Gesetzliche Erben sind vorrangig die nächsten Verwandten. Erben 1. Ordnung sind die in gerader Linie mit dem Erblasser verwandten Kinder und Enkelkinder. Sie schließen Verwandte nachfolgender Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge aus. Das gesetzliche Erbrecht arbeitet mit fünf Ordnungen.
  • Auch der überlebende Ehegatte hat ein gesetzliches Erbrecht und erbt neben den Verwandten. Der Erbanteil bemisst sich danach, welche Verwandten des Erblassers zum Zuge kommen und in welchem Vermögensgüterstand die Ehegatten lebten. Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stehen den Ehegatten gleich.
  • Verfasst der Erblasser eine „letztwillige Verfügung“, kann er gesetzliche Erben „enterben“. Ihnen verbleibt mit der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zumindest der Pflichtteil.

„Gesetzliche“ Erbfolge oder Erbfolge durch „letztwillige Verfügung“?

Wenn das Gesetz von der „Gesetzlichen Erbfolge“ spricht, stellt es klar, dass das Gesetz bestimmt, wer eine verstorbene Person beerbt, also welche Personen gesetzliche Erben sind. Diese gesetzlich bestimmte Erbfolge wird aber außer Kraft gesetzt, wenn der Verstorbene (im Erbrecht heißt er „Erblasser“) eine letztwillige Verfügung verfasst.

Letztwillige Verfügungen sind Testamente und Erbverträge. Mit einer letztwilligen Verfügung bringt der Erblasser zum Ausdruck, dass er die pauschale Regelung der gesetzlichen Erbfolge nicht wünscht und eigene Vorstellungen davon hat, wer ihn in welcher Form beerben soll. Mit einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser jedwede Person, die ihm genehm ist oder jedwede Institution, die er irgendwie bedenken will, als Erben bestimmen oder zumindest mit einem Vermächtnis (Zuwendung von Geld oder Sachwerten) bedenken. Solche individuellen Wünsche kann das Gesetz zwangsläufig nicht berücksichtigen. Die gesetzliche Erbfolge ist also nur eine Notlösung für den Fall, dass der Erblasser keine anderen Wünsche zum Ausdruck brachte.

So verstehen Sie die gesetzliche Erbfolge

Wissenswertes vorweg

Gesetzliche Erben sind:

  • Verwandte des Erblassers
  • Ehegatte des Erblassers
  • Fiskus.

Der eingetragene Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht dem Ehegatten gleich. Die gesetzliche Erbfolge bestimmt auch ihn zu einem gesetzlichen Erben. Der bloße Lebensgefährte hat kein gesetzliches Erbrecht. Er kann aber in einer letztwilligen Verfügung bedacht werden.

Expertentipp:

Gibt es keine letztwillige Verfügung, ist meist offensichtlich, wen die gesetzliche Erbfolge zum Erben bestimmt. Am einfachsten ist, wenn Kinder und Ehegatte vorhanden sind. Aber auch wenn klar ist, dass diese gesetzliche Erben sind, kommt es immer noch darauf an, mit welcher Quote sie am Nachlass beteiligt sind.

Gibt es keine Kinder und keinen Ehegatten und bestimmt die gesetzliche Erbfolge damit entferntere Verwandte zu Erben, müssen die Familienverhältnisse sehr genau erfasst werden. Um die in Betracht kommenden Erben dann zuverlässig zu ermitteln und deren verwandtschaftliche Beziehungen festzustellen, kann ein Stammbaum wertvolle Hilfe leisten. Spätestens jetzt ist wichtig, dass Sie Ihre Familienverhältnisse kennen. Ahnenforscher sind hierbei klar im Vorteil.

Ansatz ist stets die Person des Erblassers. Dann sind seine eventuell vorhandenen Abkömmlinge, der Ehegatte und die sonstigen Verwandten zu erfassen. Auch die in der Familienkette verstorbenen Verwandten spielen eine Rolle, da diese wiederum von ihren eigenen Abkömmlingen in der Erbfolge ersetzt werden können.

Beispiel Stammbaum:

Vater Mutter
BruderErblasser Schwester/ Ehegatte
Kind 1 Kind 2 Kind 3
Enkel 1 Enkel 2

Gesetzliche Erben in Ordnungen

Um die gesetzliche Erbfolge zu erfassen, teilt das Gesetz die Verwandten des Erblassers, die gesetzliche Erben sind, in Ordnungen ein. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt die Ordnung.

    • 1. Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel)
    • 2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister des Erblassers)
    • 3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
    • 4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
    • 5. Ordnung: Entferntere Voreltern (Ururgroßeltern und deren Abkömmlinge)

Gesetzliche Erben früherer Ordnungen schließen Erben nachfolgender Ordnungen von der Erbfolge aus. Solange also ein Erbe einer früheren Ordnung lebt, kommen Verwandte nachfolgender Ordnungen nicht zum Zuge (Parentelsystem nach § 1930 BGB). Die gesetzliche Erbfolge bestimmt, dass innerhalb einer Ordnung zunächst die dem Erblasser nächsten Verwandten erben: Kinder vor Enkelkindern, Elternteile des Erblassers vor Geschwistern des Erblassers und Großeltern vor Onkel und Tanten. Das gesetzliche Erbrecht des Ehepartners steht selbständig neben dem Erbrecht der Verwandten.

Gesetzliche Erbfolge: Details

Gesetzliche Erben 1. Ordnung

Gesetzliche Erben der 1. Ordnung sind alle „Abkömmlinge“ des Erblassers (§ 1924 BGB), also seine Kinder, Enkelkinder und Ur-Enkelkinder. Sie alle sind Verwandte in gerader Linie. Nichtehelich geborene Kinder stehen gleichberechtigt neben den ehelichen Kindern und werden zu gleichen Anteilen am Nachlass beteiligt. Stiefkinder und nicht adoptierte Pflegekinder gelten nicht als gesetzliche Erben. Möchte sie der Erblasser dennoch am Nachlass beteiligen, muss er eine letztwillige Verfügung verfassen.

Vom Erblasser angenommene und adoptierte Kinder sind sowohl gegenüber dem Erblasser als auch dessen Verwandten erbberechtigt. Das adoptierte Kind ist aber nicht mehr gesetzlicher Erbe seiner leiblichen Eltern. Sein gesetzliches Erbrecht erlischt mit der Adoption.

Solange ein Kind des Erblassers lebt, schließt die gesetzliche Erbfolge seine eigenen Kinder (Enkel des Erblassers) aus. Es repräsentiert seinen Stamm (Repräsentationsprinzip). Ist ein Kind des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls verstorben, treten seine eigenen Kinder (die Enkelkinder des Erblassers) als gesetzliche Erben an seine Stelle (Eintrittsrecht). Ist das Kind selbst kinderlos, erlischt mit seinem Tod der Stamm. Seine Erbquote fällt den anderen Erben zu.

Erben 2. Ordnung

Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge (Erben 1. Ordnung), bestimmt die gesetzliche Erbfolge die Verwandten der 2. Ordnung zu Erben. Erben der 2. Ordnung sind:

  • Eltern des Erblassers
  • deren Abkömmlinge, also die Geschwister des Erblassers,
  • die Kinder der Geschwister, also Neffen und Nichten des Erblassers,
  • Enkelkinder der Geschwister

Leben im Zeitpunkt des Erbfalls Vater und Mutter des Erblassers, erben beide jeweils eine Hälfte des Nachlasses ihres verstorbenen Kindes. Ist ein Elternteil verstorben, so erben die Abkömmlinge (Geschwister des Erblassers) den auf die väterliche oder mütterliche Linie entfallenden Anteil. Ist das Ehepaar kinderlos, erbt der überlebende Elternteil allein.

Erben 3. Ordnung

Erben der 3. Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also die Kinder der Großeltern. Dies sind die Onkel und Tanten des Erblassers und in der Folge deren Kinder, dies sind die Enkel der Großeltern (Vettern und Cousinen des Erblassers).

Erben 4. Ordnung

Erben der 4. Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Durch die gesetzliche Erbfolge schließt der mit dem Erblasser gradmäßig nähere Verwandte entferntere Verwandte von der Erbfolge aus.

Erben 5. Ordnung

Erben der 5. Ordnung sind die Ururgroßeltern und deren Abkömmlinge. Verwandte dieser entfernten Ordnungen spielen in der Praxis kaum eine Rolle.

Beispiel zur Erbfolge

Der ledige Erblasser Kurt hinterlässt drei Kinder. Er hat Bruder und Schwester. Kind 1 ist verstorben. Kind 2 ist kinderlos.

Beispiel zur Erbfolge:

Vater Mutter
BruderErblasser Schwester
Kind 1 Kind 2 Kind 3
Enkel 1 Enkel 2

Es ist die Frage zu klären, wer erbt?

Die gesetzliche Erbfolge stellt die drei Kinder des Erblassers an erster Stelle. Sie sind gesetzliche Erben 1. Ordnung. Da Kind 1 verstorben ist, tritt sein eigenes Kind (Enkel 1 des Erblassers) an seine Stelle. Kind 2 ist verstorben und kinderlos. Sein Stamm erlischt, so dass sein Erbanteil den anderen Erben anfällt. Kind 3 lebt und schließt sein eigenes Kind (Enkel 2 des Erblassers) von der Erbfolge aus. Bruder und Schwester kommen als Erben 2. Ordnung sowie die eventuell noch lebenden Elternteile (Erben 3. Ordnung) nicht zum Zuge, da mit den Kindern Erben 1. Ordnung vorhanden sind. Kind 3 und Enkel 1 teilen sich damit den Nachlass. Jeder erhält die Hälfte.

Wäre der Erblasser verheiratet, stünde der überlebende Ehegatte neben den Erben (Kind 3, Enkel 1).

Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

Ehegatten sind nicht miteinander verwandt. Verwandtschaft ist stets Blutsverwandtschaft. Da der Ehegatte aber einer der nächsten Angehörigen ist, steht auch dem Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht zu. Der Ehegatte erbt neben den Verwandten des Erblassers. Um die Erbquote des Ehegatten zu bestimmen, ist Folgendes zu prüfen:

  • Welche lebenden Verwandten des Erblassers gibt es?
  • Zu welcher Ordnung gehören diese Verwandten?
  • In welchem Vermögensgüterstand lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls?

Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stehen Ehegatten gleich (§ 10 LPartG).

Gesetzliche Erbfolge bei Zugewinngemeinschaft

Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Regelfall), kann der überlebende Ehegatte die erbrechtliche Regelung oder die güterrechtliche Regelung wählen. Je nachdem, erhält er eine unterschiedliche Beteiligung am Nachlass.

Erbrechtliche Regelung

Rein erbrechtlich betrachtet, erbt der Ehegatte neben Verwandten der 1. Ordnung ein Viertel und neben Verwandten der 2. Ordnung oder den Großeltern die Hälfte des Nachlasses. Da die Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, erhöht sich der gesetzliche Erbteil um ein Viertel. Der Ehegatte erhält also mindestens die Hälfte des Nachlasses. Dabei wird sein Zugewinn pauschal erfasst. Mühsame Berechnungen über die Höhe des Zugewinns und das damit verbundene Risiko der Auseinandersetzung mit den Kindern werden vermieden.

Der Ehegatte erbt bei der erbrechtlichen Regelung

  • neben Verwandten 1. Ordnung (Kinder der Eheleute) die Hälfte des Nachlasses.
  • neben Verwandten 2. Ordnung oder neben Großeltern drei Viertel des Nachlasses.
  • den Nachlass allein, wenn es keine Verwandte der 1. , 2. oder 3. Ordnung gibt.

Güterrechtliche Regelung

Wird der Zugewinn wie bei der erbrechtlichen Regelung pauschal erfasst, erhält der überlebende Ehegatte möglicherweise weniger, als wenn er seinen Zugewinn konkret berechnen würde. Hat der verstorbene Ehegatte während der Ehe einen hohen Zugewinn erwirtschaftet, kann der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlagen. Dann erhält er den Pflichtteil (Hälfte des gesetzlichen Erbteils) und macht seinen Zugewinn konkret geltend. Die güterrechtliche Regelung kann in diesem Fall einen höheren Erbanteil begründen.

Gesetzliche Erbfolge bei Gütertrennung

Haben die Ehepartner notariell Gütertrennung vereinbart, bestimmt die gesetzliche Erbfolge den lebendenden Ehegatten und eventuell vorhandene Kinder zu gleichen Anteilen zu gesetzlichen Erben. Bei einem Kind erhalten Ehegatte und Kind jeweils eine Hälfte. Bei zwei Kindern erhält jeder ein Drittel. Bei kinderlosen Ehen erben Eltern des Erblassers und Ehegatte jeweils die Hälfte des Nachlasses.

Gesetzliche Erbfolge bei Gütergemeinschaft

Hatten die Ehepartner notariell Gütergemeinschaft vereinbart, fällt nur die Hälfte des verstorbenen Ehegatten in den Nachlass. Ist die Ehe kinderlos, erben die Eltern des Erblassers die Hälfte. Oft wird im Ehevertrag vereinbart, dass die Gütergemeinschaft auch nach dem Tod eines Ehegatten mit den Kindern fortgesetzt werden soll (fortgesetzte Gütergemeinschaft). Das Vermögen wird dann nicht vererbt, sondern bleibt gemeinschaftliches Vermögen des überlebenden Ehegatten und der gemeinsamen Kinder.

Mit der Scheidung endet die gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge erlischt bereits vor Ausspruch der Scheidung, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung vorlagen und der Erblasser selbst den Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht oder dem Antrag des Partners zugestimmt hat.

Gesetzliches Erbrecht des Fiskus

Hinterlässt ein lediger Erblasser keinerlei Verwandte, hat der Staat gesetzliches Erbrecht. Wenn Sie also keine Erben haben und verhindern möchten, dass der Staat Ihr Erbe wird, müssen Sie eine letztwillige Verfügung verfassen und eine Person Ihrer Wahl oder eine gemeinnützige Institution zu Ihrem Erben bestimmen

Autor:  Heinrich von Südhoff

Ratgeber