Neuerungen im Erbrecht 2023

Gesetz und Recht sind immer im Fluss. Ergeben sich Änderungen, sind diese nicht immer unbedingt im Interesse derer, die betroffen sind. Dies gilt insbesondere insoweit, als durch die Neubewertung der Verkehrswerte von Immobilien Schenkungs- und Erbschaftssteuern anfallen können oder Gerichtsurteile zur Enttäuschung von Erben oder vermeintlicher Erben führen. Im Erbrecht ergeben sich für das Jahr 2023 relativ wenig Änderungen. Interessant sind vorwiegend gerichtliche Entscheidungen aus dem Jahr 2022.

Erbschaftssteuerpflicht durch Neubewertung von Immobilien

Wer zu Lebzeiten eine Immobilie verschenkt oder wer im Ernstfall eine Immobilie erbt, zahlt Schenkungs- und Erbschaftssteuern, sofern der Wert der Immobilie die persönlichen Freibeträge übersteigt. Aufgrund verfassungsgerichtlicher Vorgaben hat sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen, die Bewertung von Immobilien bundesweit zu vereinheitlichen und die Werte marktgerechter zu ermitteln. Durch die Änderung in den Bewertungsverfahren dürften Immobilienwerte vielfach ansteigen. Der Wert der Immobilie ist wiederum die Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- und Schenkungsteuer. Weil gleichzeitig aber die steuerlichen Freibeträge unverändert bleiben, müssen Beschenkte und Erben damit rechnen, dass die Freibeträge schneller überschritten werden und durch den Ansatz höherer Verkehrswerte Schenkungs- oder Erbschaftssteuern anfallen.

Sachwertfaktor

Wird der Wert einer Immobilie nach dem Sachwertverfahren ermittelt, ändert sich künftig der Sachwertfaktor. Dies ist eine Kennzahl, die den baulichen Wert einer Immobilie an tatsächlich zu erzielende Verkaufserlöse in der jeweiligen Region angleicht. Hiervon sind vor allem Einfamilienhäuser und selbst genutzte Eigentumswohnung betroffen.

Liegenschaftszins

Bei Immobilien, die nach dem Ertragswertverfahren bewertet werden, wird der Liegenschaftszins angepasst. Dies ist eine Art Prognose für die Wertentwicklung einer Immobilie am jeweiligen Standort. Hierbei geht es vorwiegend um vermietete Immobilien und Gewerbeobjekte.

Regionalfaktor

Neu ist auch ein Regionalfaktor, der Unterschiede zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau des jeweiligen Objekts erfassen soll. Darüber hinaus wird die Nutzungsdauer, insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie für Wohnungseigentum, von 70 auf 80 Jahre erhöht, so dass auch hierdurch höhere Immobilienwerte entstehen können.

Vergleichswertverfahren

Ungeachtet dessen bleibt die Option, eine Immobilie nach dem Vergleichswertverfahren zu bewerten. Dieses Verfahren unterliegt bislang keinen Änderungen. Dabei wird der Wert eines Grundstücks aus Verkehrswerten abgeleitet, die der örtlich zuständige Gutachterausschuss aus vergleichbaren Grundstücksverkäufen ermittelt hat. Dies empfiehlt sich vorwiegend bei

  • Ein- und Zweifamilienhäusern, /li>
  • Eigentumswohnungen
  • und Teileigentum.

Soweit hierfür keine entsprechenden Daten vorliegen, könnte der Wert der Immobilie auch durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden, mit dem Ziel, einen vergleichsweise niedrigeren Verkehrswert festzustellen.

Um diese steuerlichen Risiken zu vermeiden, können Elternteile ihren Kindern alle zehn Jahre Vermögenswerte, insbesondere Immobilien, bis zu 400.000 EUR steuerfrei übertragen. Gehört die Immobilie beiden Elternteilen, können sie alle zehn Jahre jeweils bis zu 400.000 EUR steuerfrei übertragen. Eine weitere Option besteht darin, dass ein Kind, welches das Elternhaus erbt, das Haus selbst bewohnt und mindestens zehn Jahre im Objekt wohnt. Beträgt die Wohnfläche höchstens 200 m², bleibt das Erbe insoweit steuerfrei.

Notvertretungsrecht von Ehepartnern macht Vorsorgevollmacht nicht hinfällig

Ehepartner sind nicht die gesetzlichen Vertreter des anderen. Will ein Ehepartner im Notfall für den anderen handeln und Entscheidungen treffen, braucht er eine Vollmacht. Die Vorsorgevollmacht ist das ideale Werkzeug, Vorsorge dafür zu treffen, dass der Ehepartner beispielsweise infolge eines Unfalls oder einer schwerwiegenden Erkrankung außerstande ist, sich zu äußern und zu handeln.

Soweit keine Vorsorgevollmacht besteht, kann ab Januar 2023 ein Ehepartner auch ohne Vorsorgevollmacht für den anderen in einer medizinischen Notlage entscheiden. Der Ehepartner darf

  • bei einem medizinischen Notfall,
  • etwa bei Bewusstlosigkeit nach einem Schlaganfall
  • und nach einem Unfall des Ehepartners,
  • in eine ärztliche Untersuchung oder eine Operation einwilligen,
  • hat das Recht, von den Ärzten Auskünfte zu verlangen
  • und kann alles entscheiden, was im medizinischen Sinne aller Wahrscheinlichkeit nach im Interesse des Partners liegt.

Dieses Notvertretungsrecht betrifft aber nur den medizinischen Notfall. Eine Einschränkung gilt auch insoweit, als das Notvertretungsrecht nur für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgeübt werden kann. Wegen der mit diesem Notvertretungsrecht verbundenen Einschränkungen empfiehlt sich trotzdem, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Darin lässt sich umfassend alles regeln, was im Notfall einer Regelung bedarf. Auf das gesetzlich geregelte Notvertretungsrecht des Ehepartners kommt es dann nicht an.

Neues Erbrecht in der Schweiz

In der Schweiz ändert sich einiges im Erbrecht. So werden die Pflichtteile von Kindern von ¾ auf ½ des gesetzlichen Erbteils herabgesetzt. Der Pflichtteil von Eltern entfällt vollständig. Somit sind nur noch Ehepartner und Kinder pflichtteilsberechtigt. Gibt es weder Ehepartner noch Kinder, kann der Erblasser über seinen gesamten Nachlass frei verfügen und braucht auf Pflichtteilsansprüche keine Rücksicht zu nehmen.

Neu ist, dass der erbberechtigte Ehepartner seinen Pflichtteilsanspruch bereits verliert, wenn das Scheidungsverfahren eingeleitet wurde. Bisher war der Ehepartner während des Scheidungsverfahrens noch immer erbberechtigt. Stirbt der Ehepartner währenddessen, kann der überlebende Partner keine Ansprüche mehr an den Nachlass erheben.

Gerichtsentscheidungen zum Erbrecht 2022

Die gerichtlichen Entscheidungen aus 2022 werden sich auch auf die Fälle ab 2023 auswirken:

Vorsorgevollmacht ermächtigt nicht zum Widerruf anderer Vollmachten

Hat eine Person in einer Vorsorgevollmacht mehreren Personen eine Vorsorgevollmacht erteilt, mit der jeder einzelne Bevollmächtigte allein handeln kann, besteht immer das Risiko von Meinungsverschiedenheiten mit der Folge, dass sich die Bevollmächtigten gegenseitig blockieren. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat hierzu festgestellt, dass ein Bevollmächtigter nicht das Recht habe, die Vollmacht eines anderen Bevollmächtigten zu widerrufen (Urteil vom 24.1.2022, Az. 10 W 8/21).

Im Fall hatte ein Mann seinem Stiefsohn und seinen drei leiblichen Kindern eine Vorsorgevollmacht erteilt. Jedes Kind sollte den Mann allein vertreten können. Einige Zeit später widerrief die Tochter des Mannes die Vollmacht für den Stiefsohn. Der Stiefsohn verweigerte die Herausgabe der Vollmacht. Das Gericht stellte klar, dass die Tochter die Vollmacht ihres Stiefbruders nicht widerrufen konnte.

Eine Vorsorgevollmacht beinhalte nämlich nicht das Recht zum Widerruf der Vorsorgevollmacht einer anderen Person. Ein Widerruf würde das Interesse des Vollmachtgebers, der für die Bevollmächtigung Gründe hatte, ignorieren. Wollte man den Widerruf zulassen, könnte sich jeder Bevollmächtigte durch den Widerruf eine alleinige Vollmacht schaffen und allein über die Interessen des Bevollmächtigten entscheiden. Dies sei aber gerade nicht im Interesse des Vollmachtgebers. Die Vollmacht sei stillschweigend so zu interpretieren, dass sie nicht zum Widerruf der Vollmacht der anderen Bevollmächtigten berechtigt.

Fehlender Vollzug der Schenkung gefährdet Bezugsberechtigung aus Lebensversicherung

Hat der Erblasser in der Lebensversicherung eine bestimmte Person als bezugsberechtigte Person eingesetzt, ohne diese Person darüber zu informieren, besteht das Risiko, dass die Erben die Bezugsberechtigung widerrufen. Grund dafür ist, dass die bezugsberechtigte Person die Schenkung nicht annehmen konnte und die Schenkung dadurch nicht vollzogen war. In diesem Fall fällt die Lebensversicherungssumme in den Nachlass und steht den Erben zu (Landgericht Frankenthal, Urteil v. 12.10.2022, Az. 8 O 165/22).

Solange die Versicherung den Anfall der Versicherungssumme an die bezugsberechtigte Person nicht mitgeteilt habe und die Annahme der Schenkung nicht möglich war, können die Erben die Bezugsberechtigung widerrufen. Die Bestimmung des Bezugsrechts beinhalte

  • den Auftrag des Erblassers an die Lebensversicherung, im Todesfall die Leistung auszuzahlen
  • und beinhalte gleichzeitig den Auftrag an den Versicherer, das Schenkungsangebot an die bezugsberechtigte Person zu übermitteln.

Diese müsse das Angebot dann noch annehmen. Solange die Annahme nicht erfolgt sei, können die Erben den Widerruf erklären.

Nachweis der Erbfolge auch durch Kopie des Testaments möglich

Wird ein Testament im Original nicht mehr aufgefunden, kann auch eine Kopie des Testaments eröffnet und dadurch die Erbfolge nachgewiesen werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss v. 19.8.2022, Az. 3 Wx 119/22) hat hierzu klargestellt, dass die Erfolge auch mittels eines nur noch in Kopie vorhandenen Testaments nachgewiesen werden könne. Dies sei wichtig, weil sich mit der Eröffnung insbesondere die Ausschlagungsfrist bestimme und der Nachlass der Verwaltung bedarf. Auch im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit sei durch die zeitnahe amtliche Feststellung der Erbfolge eine geordnete Nachlassabwicklung zu gewährleisten.

Gegenseitige Erbeinsetzung bedarf eines gemeinschaftlichen Testaments

Wer ein Testament formuliert und die gesetzliche Erbfolge abändern möchte, sollte peinlich genau auf die Wortwahl achten. Formulieren Ehepartner ein Testament so, dass die im Testament benannte Tochter nach dem Tod des länger lebenden Elternteils das Wohnhaus erhalten sollte, reicht es nicht aus, das Testament dahingehend zu interpretieren, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten (Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss v. 9.8.2022, Az. 3 W 67/22).

Da dem Testament nur zu entnehmen war, dass die Tochter das Wohnhaus erhalten sollte, enthalte es nicht die Regelung, dass die Eheleute sich gegenseitig zum Alleinerben des gesamten Nachlasses hätten einsetzen wollen. Vielmehr sei die Zuwendung an die Tochter als Vermächtnis und nicht als Erbeinsetzung zu verstehen. Dies gelte auch insoweit, als die der Tochter zugewandte Immobilie nicht den wesentlichen Nachlass darstellte und die Eheleute offensichtlich davon ausgegangen sind, dass ihr Vermögen durch die Zuwendung der Immobilie nicht erschöpfend aufgeteilt worden sei.

Nachlassgericht darf Geschäftswert für Erbschein nicht willkürlich schätzen

Wird ein Erbschein beantragt, bemisst das Nachlassgericht die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Nachlasses (Geschäftswert). Das Nachlassgericht fordert den Antragsteller hierzu auf, ein Nachlassverzeichnis auf einem Wertermittlungsbogen vorzulegen. Ignoriert der Antragsteller diese Aufforderung, kann das Nachlassgericht den Geschäftswert schätzen. Die Schätzung darf aber nicht willkürlich erfolgen (Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 15.8.2022, Az. 2 Wx 44/22).

Im Fall hatte das Nachlassgericht den Geschäftswert auf 250.000 EUR festgesetzt, nachdem der Antragsteller sich trotz mehrfacher Aufforderung nicht meldete. Erst nach der Schätzung legte der Antragsteller einen Kontoauszug vor, der den Nachlasswert mit ca. 15.000 EUR auswies. Das Oberlandesgericht stellte klar, dass das Nachlassgericht nicht willkürlich einen Wert festlegen dürfe, sich vielmehr an den Tatsachen orientieren müsse, die sich aus der Nachlassakte ergeben. Soweit sich dort auszugsweise Kontoauszüge finden, die allenfalls Werte um die 12.000 EUR vermuten lassen, sei eine Wertfestsetzung per Schätzung auf 250.000 EUR willkürlich und zu hoch. Der durch den Antragsteller verursachten Unvollständigkeit der Angaben könne aber insoweit Rechnung getragen werden, als ein angemessener Zuschlag erfolgen dürfe. Der Geschäftswert wurde sodann auf 24.000 EUR angesetzt.

Fortbestand der Erbeinsetzung des Lebenspartners nach Demenzerkrankung

Die Auslegung eines Testaments kann den hypothetischen Willen eines Erblassers begründen, den Lebenspartner auch nach Ausbruch seiner Demenzerkrankung mit der Hälfte des Nachlasses zu bedenken, wenn dieser sich einem neuen Lebenspartner zuwendet und diesen heiratet. Es komme insoweit nicht darauf an, dass der Erblasser stationär untergebracht werden muss und die bislang bestehende Partnerschaft nicht mehr fortgeführt werden kann (OLG Oldenburg, Beschluss v. 26.09.2022, Az. 3 W 55/22).

Ausblick

Auch im neuen Jahr lohnt es sich, sich frühzeitig mit Themen wie Testament, Erbvertrag und Vorsorgevollmacht auseinanderzusetzen. So sichern Sie Ihre Liebsten und Ihr Vermögen für den Fall der Fälle bestmöglich ab.

Autor:  iurFRIEND-Redaktion

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